Die Zeit drängt – Für eine Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag
Rassistische und rechtsextreme Gewalt konsequent bekämpfen und aufarbeiten
Vor einem Jahr, am 11. Juli 2018, fiel das Urteil gegen die Terrorist*innen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Die rechtsextreme Terrorgruppe hat neben Mordversuchen, Raub- und Sprengstoffanschlägen die Morde an den Kleinunternehmern Enver Şimşek, Süleyman Taşköprü, Abdurrahim Özüdoğru, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, Theodoros Boulgarides, İsmail Yaşar, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat sowie der Polizistin Michèle Kiesewetter zu verantworten. Eine intensive und weitreichende Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der rassistischen Morde des NSU blieb aus.
Mit dem Mord an CDU-Politiker Dr. Walter Lübcke, mutmaßlich durch einen Rechtsextremisten, rückt die Frage nach der Gefahr rechten Terrors wieder in den medialen Mittelpunkt. Die Tat weist offensichtliche Parallelen zu den NSU-Verbrechen auf, Querverbindungen des mutmaßlichen Täters zum Netzwerk werden vermutet.
Die politische Reaktion unterscheidet sich dennoch deutlich vom Umgang mit den NSU-Morden: Unter Berufung auf sein politisches Amt wird der Mord an Lübcke als Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung unserer Gesellschaft und die gesamte Bevölkerung gewertet, was auch zutreffend ist. Diese späte Erkenntnis steht im starken Widerspruch zu den langjährigen Bemühungen zivilgesellschaftlicher und insbesondere migrantischer Organisationen, auf Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen sowie rassistische Denkmuster in der Mehrheitsgesellschaft und in staatlichen Institutionen aufmerksam zu machen.
Rechte Gewalt ist keine Ausnahmeerscheinung, sondern Ausdruck eines gesamtgesellschaftlichen Rassismusproblems. Institutioneller Rassismus in deutschen Sicherheits- und Ermittlungsbehörden steht im Weg der lückenlosen Aufklärung rechter Straftaten.
Die Zeit drängt. Eine konsequente Auseinandersetzung mit rechtsextremen Strukturen und eine Reform deutscher Sicherheitsbehörden können nicht warten.
Der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI) fordert daher erneut das Einsetzen einer Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag für eine konsequente Bekämpfung und ernsthafte Aufarbeitung rassistischer und rechter Gewalt. Eine entsprechende Resolution haben wir bereits im November 2018 beschlossen.
Erstunterzeichner*innen
- Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI)
- Dr. Susanna Kahlefeld, MdA
- Günter Wallraff, Schriftsteller und Journalist
- Iris Berben, Schauspielerin
- Prof. Dr. Gesine Schwan, Humboldt-Viadrina Governance Platform
- Türkische Gemeinde Deutschland (TGD)
- Initiative Keupstraße ist überall
- PRO ASYL e.V.
- Prof. Dr. Micha Brumlik, Erziehungswissenschaftler und Publizist
- Mo Asumang, Regisseurin, Produzentin, Autorin
- Aziz Bozkurt, Bundesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt in der SP
- Ferda Ataman, Publizistin und Journalistin
- Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus
- Prof. Dr. Thomas Groß, Uni Osnabrück
- Anne Wizorek, Autorin, Beraterin für digitale Strategien und Aktivistin
- Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
- Birgit Mair, Kuratorin der Ausstellung “Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen”
- Rat für Migration e.V.
- Bundesarbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD
- neue deutsche organisationen – das postmigrantische Netzwerk (ndo)
- Amadeu-Antonio-Stiftung
- Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD)
- neue deutsche Medienmacher*innen (ndm)
- Dr. Nikolaus Brauns, Autor
- Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA e.V.)
- Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime (ZRM)
- Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin, Islamische Religionspädagogin, Publizistin
- Amaro Drom e. V.
- Dr. Helga Lukoschat, Vorsitzende EAF
- Dr. Max Czollek, Institut für Desintegration
- advd | Antidiskriminierungsverband Deutschland
- Bundesverband für interkulturelle Arbeit (VIA-Bund)
- Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma
- Ingo Arend, Autor und Kritiker, Mitglied des Präsidiums der neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK)
- Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V.
- Shahak Shapira, Künstler und Comedian
- Kübra Gümüşay, Aktivistin
- Odette Amira Yilmaz, LI
- Armin Langer, Koordinator der Salaam-Schalom Initiative in Berlin
- Holger Förster, Geschäftsführer VIA- Regionalverband Berlin/Brandenburg)
- Liberal- Islamischer Bund (LIB)
- EAF. Diversity in Leadership
- Michèle Winkler, Komitee für Grundrechte und Demokratie
- Kampagne Blackbox Verfassungsschutz, Naturfreundejugend Berlin
- Erdogan Kaya, Vorsitzer des Bundesmigrationsausschuss von ver.di
- Initiative “Das Schweigen durchbrechen!”
- Ario Mirzaie, DeutschPlus e. V.
- Dr. Chadi Bahouth, Journalist und Dozent
- Tarik Tesfu, Video-Kolumnist und Moderator
Über unseren Aufruf für eine Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag wurde auch medial berichtet.
Hier finden Sie die Berichterstattung aus der TAZ, dem ZDF, Neues Deutschland, Ze.tt, der Jungen Welt, Deutschlandfunk Kultur sowie auch auf der Seite der Migrationsbeauftragten Niedersachsens.