Forderung: Enquete-Kommission für NSU-Aufarbeitung!

Nach einem mehr als fünf Jahre andauernden Prozess in München wird am morgigen Mittwoch (11. Juli) das Urteil gegen die Haupt- und Nebenangeklagten im NSU-Prozess fallen. Hierzu erklärt der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI):

Die Aufarbeitung der rassistischen Taten der rechtsextremen Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ist auf den Ebenen der Landtage und des Bundestages durch die Untersuchungsausschüsse erfolgt. Die Urteilsverkündung bedeutet durch die juristische Bearbeitung des Falles eine weitere entscheidende Zäsur. Als Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI) fordern wir die Einrichtung einer Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag, um die Sicherheitsarchitektur unseres Landes zu optimieren.

Die NSU-Verbrechen haben auf eklatante Weise vor Augen geführt, dass die Sicherheitsarchitektur unseres Landes auf verschiedenen Ebenen nicht hinnehmbare Schwächen aufweist. Schwerwiegende Fehler und Kommunikationslücken bei den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern, Polizei, Landesbehörden für Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaften haben das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger an unseren Rechtsstaat erschüttert. Die Verkündung des Urteils wird es bei Weitem nicht leisten können, dieses 14 Jahre andauernde Staatsversagen hinsichtlich der rassistischen Taten der Terrorgruppe zu reparieren. Weitere Schritte für die Bekämpfung von Rechtsextremismus und rechter Gewalt sind nötig. Fälle wie die des Soldaten Franco A., Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, Gewalt auf offener Straße gegen Ausländer*innen und bewaffnete Reichbürger bestätigen das anhaltende Gefährdungspotenzial der rechten Szene.

Die gerichtliche Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrundes hat uns vor Augen geführt, dass es nicht reicht, die rassistischen Morde der NSU-Gruppe und deren Netzwerke aufzudecken. Mindestens genauso wichtig ist es, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unter die Lupe zu nehmen und Handlungskonzepte zu erarbeiten: Mit welchen Mitteln lassen sich strukturell verankerte Vorurteile, diskriminierende Alltagsroutine, rassistische Denkmuster in staatlichen Behörden, bei der Polizei, in Schulen und in den Medien strategisch bekämpfen? Wie kann es sein, dass seit Anfang des Prozesses rechtsextremistische und rassistische Einstellungen in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen und auf vielseitige Weise salonfähig geworden sind? Welche staatlichen und gesellschaftlichen Anstrengungen sind nötig, damit Menschen mit Migrationsgeschichte nicht marginalisiert, sondern partizipativ in die Mitte der Gesellschaft integriert werden? Wie schaffen wir es, dass die Medien mehr Interesse daran entwickeln, Empathie für die Opfer von Rassismus zu zeigen, statt die markanten Sprüche von Rechtspopulisten zu wiederholen?

Die geforderte Enquete-Kommission kann in diesem Sinne übergreifende Instrumente entwickeln, um zum einen die weiterhin offenen Fragen zum NSU-Verbrechen zu beleuchten und die bisherigen Ergebnisse der Untersuchungsausschüsse zu jurieren. Zum anderen kann sie initiieren, dass der gesetzlichen Rahmen an die aktuellen Zustände angepasst wird und neue politische Instrumente entwickelt werden. Die Berichterstattung über die Ergebnisse kann eine notwendige gesellschaftliche Debatte auslösen. Die Enquete-Kommission ist auch für die Glaubwürdigkeit und Verbindlichkeit der Maßnahmen der letzten Jahre sowie für die gesellschaftliche Aufarbeitung dieser grausamen Taten nötig. Sie ist auch ein klares Bekenntnis für das friedliche Zusammenleben, angesichts des wachsenden Rassismus und der Diskriminierung in Deutschland, die sich in der Gesellschaft aber auch in der Politik breit machen.