PM – Niedersächsischer Integrationsrat zum Jahrestag der Anschläge in Hanau
Rassismus tötet – Pressemitteilung des Niedersächsischen Integrationsrates (NIR) zum Jahrestag des Anschlags in Hanau am 19. Februar 2020
Vor einem Jahr haben die Mitglieder des NIR in ihrer Plenarsitzung am 7. März 2020 in einer Schweigeminute den neun Menschen gedacht, die drei Wochen zuvor im hessischen Hanau aus rassistischen Motiven getötet worden waren. Damals erklärte die Vorsitzende Galina Ortmann:
„Im Namen der Mitglieder des NIR möchte ich an die Menschen erinnern, die in Hanau durch einen Terrorakt mit rechtsextremistischem und rassistischem Hintergrund kaltblütig erschossen wurden. Unsere tiefe Trauer und unser Mitgefühl gilt in diesem Moment den Angehörigen und Freunden der Opfer. Dabei blicken wir auf eine lange Liste menschenfeindlicher Angriffe und Attentate zurück, die lange Zeit von den staatlichen Autoritäten nicht ausreichend verfolgt wurden.“
Acht Tage nach dem Anschlag bezeichnete Innenminister Boris Pistorius in einem persönlichen Gespräch mit den Vorstandsmitgliedern Galina Ortmann und Dang Chau Lam „den rechtsradikalen Terrorismus als die größte Bedrohung unserer Demokratie.“
Am 19. Februar 2021 werden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier zusammen mit dem Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky und Angehörigen der Getöteten an einer Gedenkfeier teilnehmen. Neben Trauer und Schmerz werden auch die drängenden Fragen der Opferfamilien den Jahrestag bestimmen.
Vielfach hatten die Angehörigen in den vergangenen zwölf Monaten Konsequenzen aus der Tat gefordert – vor allem ein beharrliches rechtliches Verfolgen rassistischer Übergriffe von rechtsradikalen Gruppierungen. Die Familien warfen den Behörden vor, “Warnsignale” nicht ernst genug genommen zu haben. Pamphlete mit Verschwörungstheorien und rassistischen Ansichten, die der Täter vor der Tat im Internet veröffentlicht hatte, sowie ein von ihm verfasster Brief, der Monate zuvor beim Generalbundesanwalt eingegangen war, fielen der Ignoranz der Behörden zum Opfer.
Warum wurde dem nicht nachgegangen und warum durfte der Täter Waffen besitzen? Wie kann eine solche Tat künftig verhindert werden? Diese und viele andere berechtigte Fragen treiben nicht nur die Familien der Opfer um. Ein Zusammenschluss von Angehörigen der Opfer spricht von einem “Versagen der Behörden vor, während und nach der Tat” und von “unverzeihlichem Fehlverhalten der Sicherheitskräfte in der Tatnacht”. Als besonders schwierig stellt sich für die Hinterbliebenen die Tatsache dar, dass es nach diesem beispiellosen rassistischen Terroranschlag sehr wahrscheinlich kein Strafverfahren geben wird, da sich der Täter selbst richtete und weitere Mittäter bisher nicht ermittelt werden konnten.
Umso wichtiger sei es, „dass die gesamte Gesellschaft im Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus zusammen steht“, so die NIR-Vorsitzende Galina Ortmann:
„Deshalb hat der NIR im Sommer letzten Jahres sein Positionspapier „Rassismus“ in die zuständige Landtagskommission eingebracht, um einen Beitrag im notwendigen Kampf gegen den Alltagsrassismus zu leisten. Außerdem begrüßen wir es sehr, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als höchster Repräsentant Deutschlands auch nach der ersten Trauerfeier am 4. März 2020 nun zum Jahrestag in Hanau sprechen wird, um sein Mitgefühl und seine Solidarität mit den Angehörigen und Freunden der Opfer auszudrücken.“