Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI)

Rückblick – Festakt 25 Jahre BZI

Am 6. Oktober 2023 feierte der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI) im Rahmen eines Festakts in der Bremer Landesvertretung in Berlin mit rund 100 geladenen Gäst*innen und einem vielfältigen Programm sein 25-jähriges Bestehen. Passend zum Charakter des BZI als kommunal verankerte politische Interessenvertretung auf Bundesebene war Sarah Ryglewski MdB, Staatsministerin beim Bundeskanzler für Bund-Länder-Beziehungen, die Schirmfrau des Festaktes.

Neben Grußworten ranghoher Politiker*innen spannte das Programm einen Bogen von der Vergangenheit über die Gegenwart bis hin zur Zukunft des Verbandes; der Reden von langjährig Aktiven, die Premiere des Jubiläumsfilms, die Ehrung von Mitgliedern aus allen im BZI repräsentierten Bundesländern und eine Diskussionsrunde zur Zukunft der Migrationsgesellschaft Deutschland mit Vertreter*innen aus den Verbandsstrukturen beinhaltete. Für gute Stimmung sorgten auch die musikalische Begleitung durch das Heval Trio und die vielen herzlichen Gespräche während des Empfangs.

Grußworte

„Mit seinem ehrenamtlichen Engagement formt der BZI seit 25 Jahren eine starke Stimme der Demokratie, setzt sich für politische Vielfalt und Teilhabe ein und ermöglicht so Schritt für Schritt ein besseres Leben für alle in Deutschland lebenden Menschen.“ Mit diesen einleitenden Grußworten stellte Didem Karabulut, stellvertretende Vorsitzende des BZI und Moderatorin des Abends, die Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements der tausenden Mitglieder des BZI heraus und übergab daraufhin das Wort an den Vorstandsvorsitzenden des BZI Memet Kilic, der das Publikum mit auf eine gedankliche Zeitreise in seine persönliche Geschichte beim BZI nahm. Der Gründungsimpuls für eine bundesweite Vertretung unter dem Namen Bundesausländerbeirat (BAB) im Jahr 1998 sei auf die Notwendigkeit zurückzuführen, viele Themen des BAB nicht nur auf Landes- sondern auch auf Bundesebene zu diskutieren. Als bundesweite Stimme der einzigen demokratisch legitimierten Migrant*innenvertretungen der Republik begleitete der Verband nicht nur hierzulande sondern auch international eine sehr dynamische politische Zeit und nahm in seiner wachsenden Bedeutung bereits 2001 an der UNO-Weltkonferenz gegen Rassismus teil. In den letzten fünf Jahren habe der BZI laut Kilic zudem noch einmal „einen bemerkenswerten strukturellen Wandel hingelegt“, indem er sich mit einem klaren Leitbild als Experte für politische Teilhabe in der Politik, der Zivilgesellschaft und den Medien etablierte. Dieser Erfolg sei nicht zuletzt auch der Strukturförderung durch den Bund zu verdanken, die eine derartige Professionalisierung überhaupt erst ermöglichte.

Diese Entwicklung des BZI, die auch zu vielen positiven gesellschaftlichen Veränderungen beigetragen habe, betonte auch Sarah Ryglewski, die Staatsministerin beim Bundeskanzler für Bund-Länder- Beziehungen. Sie warb in diesem Zusammenhang auch für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern: „Zum einen glaube ich, wir hätten einen Gewinn von engerer Zusammenarbeit, zum anderen auch eine Chance, denn am Ende gelingt Integration vor Ort – dort, wo Menschen ein starkes Netzwerk bilden“.

„Deutschland ist längst ein Land der Vielfalt, ein Land mit Migrationshintergrund.“, stellte auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinem Grußwort an den BZI fest. Er dankte daher den Ehren- und Hauptamtlichen für ihre kontinuierliche Arbeit für eine vielfältige Zivilgesellschaft und merkte zugleich an, dass diese Vielfält noch nicht in allen Bereichen sichtbar sei. So fehle es unter anderem an Repräsentation bei Lehrer*innen und Journalist*innen. Umso wichtiger seien die Integrationsbeiräte, die Migrant*innen eine hörbare Stimme gäben und damit auch die Demokratie stärkten, so Bundespräsident Steinmeier.

Staatsministerin Reem Alabali-Radovan, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und zugleich Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus, ging unter anderem auf die kürzlich beschlossene Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ein, das es zukünftig – auch dank der hartnäckigen Lobbyarbeit des BZI vielen Menschen erleichtern wird, in Deutschland Fuß zu fassen. Damit seien wir in Deutschland „einen ganz Schritt weiter, Menschen die volle Partizipation in diesem Land zu ermöglichen.“ Zu diesem Ziel trage außerdem auch das neue BZI-Projekt „Pass(t) Genau“ bei, das Menschen durch den bürokratischen Prozess der Einbürgerung begleitet, so die Staatsministerin.

Die politische Veränderungskraft des BZI machte auch Yvonne Magwas, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, deutlich. Sie bedankte sich für das große Engagement des BZI in den vergangenen 25 Jahren, das die Arbeit im Bundestag immens bereichere. Gleichzeitig betonte sie, wie wichtig die Perspektive zugewanderter Menschen für Deutschland sei und dass es unabdinglich für unsere Gesellschaft sei, offen für neue Blickwinkel und Standpunkte zu bleiben.

„Der BZI setzt sich konsequent für die gesellschaftliche Teilhabe jener ein, die eine Zuwanderungsgeschichte haben. […] Sie mischen sich ein und geben denjenigen eine Stimme, die meist kein Wahlrecht haben. Damit sind Sie ein wichtiger Akteur in unserem demokratischen Gemeinwesen“, ergänzt Bundesfamilienministerien Lisa Paus im Rahmen ihres Grußwortes die Ansprachen ihrer Vorredner*innen.

Auch Dr. Hans-Eckhard Sommer, Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, richtete lobende Worte an das BZI, das ab 2024 als eine der wenigen ausgewählten Institutionen in der dritten Phase der Strukturförderung durch das BAMF gefördert wird. Er sprach dem BZI Mut zu, seine wichtige Arbeit „laut, engagiert und mit vollem Elan fortzusetzen, sich einzumischen, und seine Stimmen zu verstärken“.

Unterhaltsam wurde es noch einmal bei der Premiere des Jubiläumsfilms. Dieser richtete den Blick auf ein Vierteljahrhundert BZI-Historie und illustrierte beispielhaft anhand von Beiträgen langjähriger Weggefährt*innen, wie der BZI sich nach wie vor seine Bedeutung als eine kommunal verankerte politische Stimme auf Bundesebene bewahrt hat.

Podiumsdiskussion: Von der Kommune bis zum Bund – Kommunale Migrationsbeiräte als politische Schulen

Seit mehr als einem halben Jahrhundert gibt es Migrant*innenvertretungen auf kommunaler Ebene – somit spiegelt sich der häufig verwendete Satz „Integration beginnt in der Kommune“ auch in der BZI-Historie wider. Dieser Umstand wurde in der anschließenden Podiumsdiskussion noch einmal in Form einer spannenden Debatte gewürdigt. Dabei wurde unter anderem gefragt, „Welche Bedeutung haben diese kommunalen Gremien für die politische Teilhabe vor Ort?“, „Wie beeinflussen Organisations- und Förderstrukturen ihre Arbeit?“ und „was treibt sie politisch um?“. Moderiert von Dr. Deniz Nergiz, Geschäftsführerin des BZI, diskutierten diese und weitere Fragen:

  • Mitra Sharifi Neystanak, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten und Integrationsbeiräte Bayerns (AGABY)
  • Seyhmus Atay-Lichtermann, Vorsitzender des Migrantenrats der Hansestadt Rostock (MIGRO)
  • Ziya Yüksel, Vorstandsmitglied Arbeitsgemeinschaft der Beiräte für Migration und Integration Rheinland-Pfalz (AGARP)

Eröffnet wurde die Podiumsdiskussion mit der Frage nach den Beweggründen für die Gründung der Migrant*innenbeiräte. Ziya Yüksel berichtete daraufhin über die Entstehung der ersten Beiräte in Rheinland-Pfalz in den 1970er Jahren. Diese seien entstanden, um migrantische Perspektiven in politische Diskurse einzubringen.  Mittlerweile sei man glücklicherweise an einem Punkt angekommen, an dem die Beiräte selbst Diskurse über Migration und Teilhabe anregen. Darüber hinaus würden die kommunalen Beiräte und der Landesverband als Fachgremien wahrgenommen, deren Kompetenzen im Bereich Migration und Antirassismus vielfach abgerufen würden. Auf die Frage, wie diese bemerkenswerte Entwicklung möglich gewesen sei, betonte Ziya Yüksel die große Bedeutung einer institutionellen Förderung, wie sie der Landesverband AGARP genießt, um die Arbeit als politisches Gremium auch langfristig leisten zu können.

Demgegenüber beschrieb Seyhmus Atay-Lichtermann die Gründungserfahrung des Rostocker Migrant*innenbeirats 1992 aus einer gänzlich anderen Perspektive. Sie erfolgte als Reaktion auf eine der massivsten rassistischen Ausschreitungen in der wiedervereinigten Bundesrepublik. Dabei sei es nicht, wie bei der Gründung vieler anderer Beiräte, um politische Teilhabe, sondern ganz grundlegend um die Sicherung und den Schutz des Lebens von Migrant*innen in Rostock gegangen. Erst seit 2010 sei es dem Beirat langsam möglich geworden, so Atay-Lichtermann, sich auch anderen politischen Fragen zu widmen. Dabei bestehe in den ostdeutschen Bundesländern jedoch nach wie vor das Problem, dass die migrantischen Strukturen schwach vertreten seien und die Repräsentation immer noch deutlich ausgebaut werden müsse. Auch hier spiele das Thema der Förderung eine wichtige Rolle.

Wie eine solche Förderung aussehen müsse, um Wirkung zu entfalten, fragte Dr. Deniz Nergiz in die Runde. Die Beiräte würden oft nur unstetig über Projektmittel anstatt durch eine langfristige institutionelle Förderung durch öffentliche Mittel finanziert, antwortete Mitra Sharifi Neystanak und betonte in diesem Kontext die Wichtigkeit einer institutionellen Förderung. Diese bliebe dem Landesverband in Bayern bisher jedoch aus politischen Gründen verwehrt, obwohl nur durch langfristige hauptamtliche Arbeit auch die Organisation und das Engagement der Ehrenamtlichen ermöglicht werden könnten. Es liege deshalb im Interesse aller, die Strukturen langfristig zu sichern, damit gute Arbeit zum Wohle aller geleistet werden kann. Entgegen der häufig geäußerten Kritik, die Beiräte seien aufgrund ihrer niedrigen Wahlbeteiligung aus der Zeit gefallen, konstatiert Sharifi: „Wenn es die Beiräte nicht gäbe, müsste man sie wieder neu erfinden. Beiräte bleiben ein wichtiges Instrument zur Demokratieförderung. Sie bilden eine Mischung aus Alt- und Neuzugewanderten, wodurch Erfahrungen weitergegeben und migrantische Mitsprache langfristig gefördert werden können“. Neue Menschen für die Beiräte zu gewinnen und zur Wahl zu motivieren, obwohl die Mittel dafür sehr gering sind, sei deshalb eine wichtige Aufgabe für die Zukunft.

Auf die Frage, welche Änderungen es in Zukunft bräuchte, um die politische Partizipation von Migrant*innen in Deutschland zu fördern, erachtet Seyhmus Atay-Lichtermann zwei Dinge als zentral: Zum einen das kommunale Wahlrecht für alle, unabhängig von der Staatsbürgerschaft, und zum anderen die institutionelle Förderung der Ausländer- und Migrationsbeiräte, ihrer Landesverbände und des Bundesverbands BZI. Mitra Neystanak Sharifi äußerte sich diesbezüglich in ihrem Schlusswort: „Ich glaube, dass die Chancen auf ein Kommunalwahlrecht für alle gestiegen sind. Wir müssen daran arbeiten, dass wir den Diskurs umwandeln. Wir sind mehr. Die Vielfalt ist die Mehrheit in Deutschland. Es gibt keine Zukunft ohne Migration und keine Alternative zum Einwanderungsland. Wir brauchen Vielfalt, um über die Krisen zu kommen. Nehmen wir uns viel Kraft, um Rassismus und nationalistische, demokratiefeindliche Diskurse zu bekämpfen“.

Ehrung langjähriger Mitstreiter*innen

Die unermüdliche Arbeit von Ehrenamtlichen war und ist das Triebwerk, das das Einwanderungsland Deutschland zur einer offenen Einwanderungsgesellschaft lenkt. In diesem Sinne wurden stellvertretend für die im BZI vertretenen Bundesländer engagierte Mitglieder für ihre wertvolle Arbeit geehrt.

Ausblick auf die nächsten Jahre

„Es lohnt sich, stolz zu sein, kerzengerade zu stehen, und das Erreichte zu sehen. Gleichzeitig fordern wir noch einiges mehr: Natürlich sind wir ein Einwanderungsland geworden; wir sind aber noch längst kein teilhabegerechtes Einwanderungsland.“ Mit diesen Worten führte die stellvertretende Vorsitzende des BZI, Rita Wiese-Kochankaite, in ihre Abschlussrede ein. Von Müdigkeit zeige sich kein Zeichen in den Reihen des BZI, der für die rund 400 kommunalen Migrant*innenbeiräte und ihre Landesorganisationen einsteht, die Politik auf allen Ebenen begleitet, kritisiert und herausfordert und dabei immer das Ziel einer teilhabegerechten Gesellschaft verfolgt. Ausdauer, Mut, Zuversicht, Agilität und Reaktionsfähigkeit seien dabei so unabdingbar wie die Gewinnung von „jungen Generationen, die diese Arbeit voranbringen“, stellt Wiese-Kochankaite fest.

Im Anschluss ließen die Gäst*innen den Abend bei einem Empfang mit anregenden Gesprächen über die gemeinsamen Erfolge und die noch zu bewältigenden Herausforderungen gemeinsam ausklingen.