Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI)

Veranstaltung „Nach der Wahl – Quo Vadis, inklusive Partizipation in der Einwanderungsgesellschaft?“ am 16.12.21 in Berlin

Nach der spannenden Bundestagswahl 2021 sind mittlerweile auch die Sondierungsgespräche abgeschlossen, der Koalitionsvertrag steht und die neue Regierung ist im Januar 2022 offiziell angetreten. Mit unserem Mikro-Projekt „#VielfaltErZählt“ haben wir diese Prozesse mit dem Fokus auf Vielfalt und Teilhabe begleitet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Bei 14 interessanten Kurz-Interviews kommen Politikschaffende zu Wort, von denen nun 11 MdBs sind. In der zweiten Interviewreihe sprachen wir mit acht geflüchteten/zugewanderten Personen, die sich gesellschaftspolitisch engagieren.

Quo vadis, inklusive Partizipation in der Einwanderungsgesellschaft mit dem neuen Koalitionsvertrag und der neugebildeten Regierung? Welche Verbesserungen gibt es und welche Rolle wird die Gestaltung der offenen Einwanderungsgesellschaft in der kommenden Legislaturperiode spielen? Mit Fokus auf diese Fragen hat sich die Abschlussveranstaltung der ersten Interviewreihe am 16.12.21 beschäftigt.  In einer Podiumsdiskussion in Kooperation mit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung kamen hierzu die Mitglieder des Deutschen Bundestages Canan Bayram (B’90/Die Grünen), Muhanad Al-Halak (FDP) und Ates Gürpinar (Die Linke) sowie BZI-Vorstand und ehemaliger MdB Memet Kilic unter der Moderation von Gilda Sahebi (Ärztin, Politikwissenschaftlerin, Journalistin) zusammen.

Schon nach den Grußworten von Reinhard Fischer (Landeszentrale für politische Bildung) betonte der BZI-Vorsitzende Memet Kilic die „Bringschuld des Staates für inklusives Teilhaberecht“ nach der Bundestagswahl. Es folgte Prof. Petra Bendel, die Vorsitzende des SVR Integration und Migration, die den Integrations- und Partizipationsteil des Koalitionsvertrags genauer unter die Lupe nimmt. Dabei stellt sie fest, dass der Vertrag deutliche Fortschritte macht, wie beispielsweise durch die lang überfällige schriftliche Anerkennung Deutschlands als Einwanderungsgesellschaft, Reformen des Staatsangehörigkeitsrechts, oder die Einführung eines Bundespartizipationsgesetzes. Sie betonte aber auch, dass weiterhin Luft nach oben bestehe, wie unter anderem durch einen intensiveren Einbezug der Kommunen.

Im Zentrum der anschließenden Diskussionsrunde stand die Frage, ob der Koalitionsvertrag tatsächlich mehr Partizipationsmöglichkeiten für Menschen mit Einwanderungserfahrung verspricht und, ob er seine Ziele erreichen wird. Alle Anwesenden sind sich einig: Ja, der Vertrag stellt einen klaren Fortschritt dar! Canan Bayram betont, dass es wichtig ist, dass anwendbare Gesetze entstehen, die die Menschen empowern und unsere Einwanderungsgesellschaft aktiv gestalten. Asylverfahren sollen endlich verkürzt werden und Fachkräftezuzug erleichtert werden, ergänzt Muhanad Al-Halak. Gleichzeitig sieht Ates Gürpinar klare Defizite. Er bemängelt deutlich die Umsetzungsperspektive, beispielsweise des finanziellen Zuschusses für Verwaltungen und verweist auf einen untragbaren Nützlichkeitsrassismus, mit dem der erleichterte Fachkräftezuzug gerechtfertigt wird.

Ein großes Thema war auch das kommunale Wahlrecht für Drittstaatsangehörige, das nicht im Koalitionsvertrag aufgenommen wurde – warum nicht? „Dazu bräuchte es eine Grundgesetzänderung“ sagt Bayram, und diese ist ehrlicherweise immer noch nicht mehrheitsfähig. Gleichzeitig sprechen sich die MdBs klar dafür aus. „Es muss weiter Druck aufgebaut werden“, sagt Gürpinar und wirbt für das eigene Engagement in Parteien oder Ehrenämtern, um die Umsetzung zu unterstützen.  Denn zivilgesellschaftliches Engagement hat den Koalitionsvertrag entschieden geprägt. Wie wird diese in der Politik aufgenommen? „Migrant*innen müssen sich in der politischen Landschaft sichtbarer machen“, so Kilic, sonst werde sich nichts ändern.

Gleichzeitig entsteht durch vielfältigere Stimmen und mehr Diskussion, wenn man Integration als Teilhabe versteht, auch mehr Konfliktpotential. Bayram erwähnt das Integrationsparadoxon und den fehlenden Schutz vor rassistischen Angriffen Deutschland. „Es besteht kein Schutz, wenn Menschen den Mund aufmachen“, so Bayram, doch diese Koalition müsse das ändern. Gilda Sahebi stellt den Begriff der Integration allgemein kritisch in Frage: er mache den Anschein, zugewanderte und geflüchtete Menschen müssten sich besonders anstrengen, um Teil der Gesellschaft sein zu dürfen.

Der allgemeine Konsens am Ende der Veranstaltung ist positiv: Der Koalitionsvertrag stellt einen klaren Fortschritt dar, der nun auch umgesetzt werden muss. Diese Arbeit wird der BZI auch weiterhin aufmerksam begleiten!

➡️ Den Stream der Veranstaltung finden Sie hier zum Nachschauen.

 

[Die Gesprächsreihe entstand im Rahmen des Sonderprojekts #VielfaltErzählt, im Rahmen der Strukturförderung gefördert vom Bundesministerium des Inneren und Heimat durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.]