Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI)

PM zu 60 Jahre deutsch-türkisches Anwerbeabkommen: Von Leben in der Fremde zu Leben in der Heimat

Das türkische Wort Gurbet bedeutet ‘Leben in der Fremde’ und steht symbolisch für fast 900 Tausend Menschen, die vor sechs Jahrzehnten im Zuge des Anwerbeabkommens mit der Türkei nach Deutschland kamen. Dieses Abkommen für Anwerbung von temporären Arbeitskräften jährt nun zum 60. Mal.

Das bilaterale Abkommen zwischen den Ländern änderte das Leben von mehr als zweieinhalb Millionen Menschen, die sich um eine Arbeitserlaubnis in Deutschland bewarben oder ihren Familienangehörigen, die ihnen folgten. Das Anwerbeabkommen initiierte auch einen Prozess, der auch Deutschland nachhaltig verändert hat. So vielfältig und unterschiedlich die Menschen waren, die aus der Türkei nach Deutschland kamen, so unterschiedlich waren auch ihre Motive. Was auch selten erwähnt wird: Jede fünfte angeworbene Arbeitskraft aus der Türkei war eine Frau. Der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat hat in einem Kooperationsprojekt mit der Konrad- Adenauer-Stiftung durch Interviews mit diesen Zeitzeuginnen ihre Geschichten, die teils mit Verbleib in Deutschland teils mit der Rückkehr in die Türkei endeten, nachgezeichnet. Die Interview-Reihe (abrufbar auf der BZI Homepage) stellt die weibliche Perspektive dar – schließlich waren ein Fünftel der Arbeitskräfte, die damals aus der Türkei kamen, Frauen.

Heute haben Türkeistämmige mit einer Größenordnung von 3 Millionen Menschen, den größten Anteil an der Personen-Einwanderungsgeschichte und sind als Teil unserer Gesellschaft nicht wegzudenken. Zwar ist die Anzahl der Bundestagsabgeordneten mit türkischen Wurzeln gestiegen, dennoch können nur knapp ein Drittel der türkischstämmigen Bevölkerung an Wahlen teilnehmen. Bis heute ist diese politisch weiterhin unterrepräsentiert. Auch Diskriminierung am Arbeitsmarkt, in der Bildung und auch rassistische Anschläge und Angriffe stellen einen bitteren Beigeschmack für dieses Teilsein dar.

Der BZI-Vorsitzende Memet Kilic mahnt mit Blick auf Fachkräftemangel im Lande, dass man aus der Vergangenheit lernen müsse. Er betont: “Die Einwanderer*innen nur als Arbeitnehmer*innen zu sehen, mit einem begrenzten Aufenthalt und nicht als Menschen, die hier leben und die Gesellschaft gestalten können und wollen, ist fatal. Auch das Bildungssystem muss so geregelt werden, dass die Schulerfolge von Kindern weder vom Geldbeutel noch von der Herkunft ihrer Eltern abhängen. In dieser Hinsicht schlägt der BZI vor Einbürgerungen unter Hinnahme von Mehrstaatlichkeit zu erleichtern und das kommunale Wahlrecht auf Nicht-EU-Bürger zu erweitern, um die Teilhabemöglichkeiten der Einwanderer*innen auszubauen.” Bessere politische Teilhabechancen, erleichterte Einbürgerung und kommunales Wahlrecht fordert der BZI seit seiner Gründung – und ruft besonders heute dazu auf!

Link zu den Interviews: https://bit.ly/3vX1m3l